5 wirksame Atemtechniken gegen Panikattacken – Sofort anwendbar
Entdecken Sie fünf wissenschaftlich fundierte Atemübungen, die Ihnen helfen, Panikattacken zu stoppen und Ihre Angst zu kontrollieren.

Warum Ihre Atmung der Schlüssel zur Angstbewältigung ist
Stellen Sie sich vor, Sie hätten einen Notfallknopf, den Sie jederzeit drücken können, um eine Panikattacke zu stoppen. Dieser Knopf existiert tatsächlich – und er heißt Atmung. Ihre Atmung ist die einzige Körperfunktion, die sowohl automatisch als auch bewusst gesteuert werden kann, und genau das macht sie zu Ihrem mächtigsten Werkzeug gegen Angst und Panik.
Während einer Panikattacke gerät Ihre Atmung aus dem Gleichgewicht. Sie atmen schneller und flacher, oft durch den Mund, was zu einer Hyperventilation führt. Dies verändert den Sauerstoff- und Kohlendioxidgehalt in Ihrem Blut und verstärkt Symptome wie Schwindel, Kribbeln und das Gefühl, nicht genug Luft zu bekommen. Ein Teufelskreis entsteht.
Die gute Nachricht: Sie können diesen Kreislauf durchbrechen. Mit den richtigen Atemtechniken können Sie Ihr Nervensystem beruhigen, Ihre körperlichen Symptome reduzieren und die Kontrolle zurückgewinnen. Und das Beste: Diese Techniken sind kostenlos, überall verfügbar und wirken oft innerhalb weniger Minuten.
Die Wissenschaft hinter der Atmung
Bevor wir zu den Techniken kommen, ist es hilfreich zu verstehen, warum Atmung so wirksam ist:
Das autonome Nervensystem
Ihr autonomes Nervensystem besteht aus zwei Teilen:
Der Sympathikus ist Ihr Gaspedal – er aktiviert die Kampf-oder-Flucht-Reaktion. Bei Panikattacken läuft er auf Hochtouren.
Der Parasympathikus ist Ihre Bremse – er sorgt für Entspannung und Regeneration. Kontrollierte Atmung aktiviert gezielt diesen Teil.
Die Vagusnerv-Verbindung
Der Vagusnerv verbindet Ihr Gehirn mit vielen wichtigen Organen, einschließlich Herz und Lunge. Langsame, tiefe Atmung stimuliert diesen Nerv und sendet Beruhigungssignale an Ihr Gehirn. Das Ergebnis: Ihr Herzschlag verlangsamt sich, Ihr Blutdruck sinkt, und Ihre Angst lässt nach.
Das Kohlendioxid-Gleichgewicht
Hyperventilation führt zu einem Überschuss an Sauerstoff und einem Mangel an Kohlendioxid im Blut. Dies verursacht viele Paniksymptome. Kontrollierte Atmung stellt das natürliche Gleichgewicht wieder her.
Die 5 wirksamsten Atemtechniken gegen Panikattacken
Technik 1: Die 4-7-8 Atmung (Die Notbremse)
Diese Technik wurde vom amerikanischen Arzt Dr. Andrew Weil entwickelt und gilt als eine der wirksamsten Methoden bei akuter Angst.
So funktioniert’s:
- Atmen Sie vollständig durch den Mund aus und machen Sie dabei ein hörbares “Whoosh”-Geräusch
- Schließen Sie den Mund und atmen Sie ruhig durch die Nase ein, während Sie bis 4 zählen
- Halten Sie den Atem an und zählen Sie bis 7
- Atmen Sie durch den Mund aus und zählen Sie bis 8 (mit dem “Whoosh”-Geräusch)
- Wiederholen Sie diesen Zyklus mindestens 4-mal
Warum es funktioniert: Das längere Ausatmen und Anhalten aktiviert intensiv Ihren Parasympathikus. Das Verhältnis der Zahlen (4-7-8) ist dabei wichtiger als die absolute Geschwindigkeit. Passen Sie das Tempo an Ihre Komfortzone an.
Wann Sie es einsetzen:
- Während einer akuten Panikattacke
- Wenn Sie erste Anzeichen von Angst bemerken
- Vor dem Einschlafen bei Grübelgedanken
- In stressigen Situationen präventiv
Technik 2: Die Bauchatmung (Die Basis)
Die Bauchatmung, auch Zwerchfellatmung genannt, ist die natürlichste Form der Atmung – so wie Babys atmen. Bei Angst atmen wir oft nur in die Brust, was Stress verstärkt.
So funktioniert’s:
- Setzen oder legen Sie sich bequem hin
- Legen Sie eine Hand auf Ihre Brust, die andere auf Ihren Bauch
- Atmen Sie langsam durch die Nase ein, sodass sich Ihr Bauch hebt (nicht die Brust)
- Atmen Sie langsam durch den Mund oder die Nase aus, der Bauch senkt sich
- Die Hand auf der Brust sollte sich möglichst wenig bewegen
- Zählen Sie beim Ein- und Ausatmen jeweils bis 4 oder 5
Warum es funktioniert: Bauchatmung nutzt Ihre Lungenkapazität optimal, verbessert die Sauerstoffversorgung und aktiviert direkt den Vagusnerv. Sie ist die Grundlage aller anderen Atemtechniken.
Wann Sie es einsetzen:
- Als tägliche Übung (10 Minuten)
- Bei ersten Anzeichen von Unruhe
- Zur allgemeinen Stressreduktion
- Als Basis vor dem Einsatz anderer Techniken
Übungstipp: Legen Sie sich ein Buch auf den Bauch. Versuchen Sie, das Buch beim Einatmen zu heben und beim Ausatmen zu senken. Diese visuelle Rückmeldung hilft beim Lernen.
Technik 3: Die Box-Atmung (Für Kontrolle)
Diese Technik wird von Navy SEALs und anderen Spezialeinheiten genutzt, um in extremen Stresssituationen ruhig zu bleiben. Sie ist besonders hilfreich, wenn Sie sich von der Angst überwältigt fühlen.
So funktioniert’s:
- Atmen Sie durch die Nase ein und zählen Sie bis 4
- Halten Sie den Atem an und zählen Sie bis 4
- Atmen Sie durch den Mund aus und zählen Sie bis 4
- Halten Sie die Lungen leer und zählen Sie bis 4
- Wiederholen Sie den Zyklus 4-8 Mal
Warum es funktioniert: Die Gleichmäßigkeit und Struktur dieser Technik gibt Ihrem Geist etwas, worauf er sich konzentrieren kann. Das rhythmische Muster beruhigt das Nervensystem und vermittelt ein Gefühl von Kontrolle.
Wann Sie es einsetzen:
- Wenn Sie sich von Angst überwältigt fühlen
- Bei aufkommenden Panikgedanken
- Vor herausfordernden Situationen
- Wenn Sie Ihre Konzentration zurückgewinnen möchten
Visualisierungstipp: Stellen Sie sich ein Quadrat vor. Atmen Sie entlang der Seiten ein, halten, aus und halten. Oder zeichnen Sie mit dem Finger in der Luft ein Quadrat nach.
Technik 4: Die 5-5-5 Entspannungsatmung
Diese Technik ist einfach zu merken und besonders für Einsteiger geeignet. Sie kombiniert Einfachheit mit Wirksamkeit.
So funktioniert’s:
- Atmen Sie durch die Nase ein und zählen Sie langsam bis 5
- Halten Sie den Atem für einen kurzen Moment
- Atmen Sie durch den Mund aus und zählen Sie langsam bis 5
- Machen Sie eine kurze Pause
- Wiederholen Sie dies 5 Minuten lang
Warum es funktioniert: Das gleichmäßige Ein- und Ausatmen reguliert Ihren Herzrhythmus und reduziert die Herzfrequenzvariabilität, ein Marker für Stress. Die Einfachheit macht sie auch unter Stress leicht anwendbar.
Wann Sie es einsetzen:
- Als Einstieg in Atemtechniken
- Bei mittlerer Angst oder Unruhe
- Zwischendurch im Alltag
- Wenn Sie andere Techniken zu kompliziert finden
Technik 5: Die verlängerte Ausatmung (Der Angstlöser)
Diese Technik fokussiert sich darauf, das Ausatmen länger zu gestalten als das Einatmen – ein bewährter Weg zur schnellen Entspannung.
So funktioniert’s:
- Atmen Sie durch die Nase ein und zählen Sie bis 4
- Atmen Sie durch den Mund aus und zählen Sie bis 6 oder 8
- Machen Sie eine kurze natürliche Pause
- Wiederholen Sie den Zyklus 10-15 Mal
Warum es funktioniert: Längeres Ausatmen aktiviert massiv den Parasympathikus. Es ist nahezu unmöglich, gestresst zu bleiben, wenn Sie doppelt so lange ausatmen wie einatmen.
Wann Sie es einsetzen:
- Bei aufsteigender Panik
- Wenn körperliche Symptome im Vordergrund stehen
- Zur schnellen Beruhigung
- Wenn Sie sich “aufgedreht” fühlen
Variante: Experimentieren Sie mit verschiedenen Verhältnissen: 3:6, 4:8 oder 5:10. Finden Sie heraus, was für Sie am angenehmsten ist.
Häufige Fehler bei Atemtechniken
Viele Menschen machen Fehler, die die Wirksamkeit der Übungen reduzieren:
Fehler 1: Zu schnell atmen wollen
Lassen Sie sich Zeit. Ihre Atmung sollte sich natürlich und nicht forciert anfühlen. Wenn Ihnen schwindelig wird, atmen Sie zu tief oder zu schnell.
Fehler 2: Nur in der Krise üben
Atemtechniken wirken am besten, wenn Sie sie regelmäßig praktizieren. Ihr Gehirn muss die Muster in Ruhe lernen, damit es sie unter Stress abrufen kann.
Fehler 3: Unregelmäßiges Üben
Tägliche kurze Übungen sind wirksamer als gelegentliches langes Training. Selbst 2-3 Minuten täglich machen einen Unterschied.
Fehler 4: Zu hohe Erwartungen
Atemtechniken sind keine magische Lösung. Sie sind ein Werkzeug, das Zeit und Übung braucht. Erwarten Sie schrittweise Verbesserungen, keine sofortigen Wunder.
Fehler 5: Die falsche Umgebung
Beginnen Sie Ihr Training in einer ruhigen, sicheren Umgebung. Erst wenn Sie die Technik beherrschen, üben Sie in herausfordernderen Situationen.
Ihr persönlicher Übungsplan
Um Atemtechniken in Ihren Alltag zu integrieren:
Woche 1-2: Die Grundlagen
- Üben Sie täglich 10 Minuten Bauchatmung
- Morgens nach dem Aufwachen und abends vor dem Schlafen
- Konzentrieren Sie sich nur auf diese eine Technik
Woche 3-4: Erweiterung
- Fügen Sie die 4-7-8 Atmung hinzu
- Üben Sie diese in ruhigen Momenten
- Versuchen Sie, sie bei leichter Unruhe einzusetzen
Ab Woche 5: Integration
- Experimentieren Sie mit allen Techniken
- Setzen Sie sie gezielt in verschiedenen Situationen ein
- Finden Sie Ihre persönlichen Favoriten
Langfristig: Automatisierung
- Machen Sie Atemübungen zu einem festen Ritual
- Nutzen Sie Erinnerungen oder Apps als Unterstützung
- Verbinden Sie Atemübungen mit anderen Routinen (z.B. vor Mahlzeiten)
Atemtechniken mit anderen Strategien kombinieren
Atemübungen wirken noch besser in Kombination mit:
Progressive Muskelentspannung: Atmen Sie tief ein, während Sie eine Muskelgruppe anspannen. Atmen Sie aus, während Sie entspannen.
Visualisierung: Stellen Sie sich beim Einatmen vor, wie beruhigende Energie in Ihren Körper fließt. Beim Ausatmen visualisieren Sie, wie Angst und Anspannung Ihren Körper verlassen.
Positive Selbstgespräche: Verbinden Sie Ihre Atmung mit beruhigenden Sätzen: “Einatmen: Ich bin ruhig. Ausatmen: Ich bin sicher.”
Bewegung: Gehen Sie langsam, während Sie Atemtechniken anwenden. Der Rhythmus der Bewegung unterstützt den Atemrhythmus.
Technologie als Unterstützung
Moderne Apps können Ihnen helfen, Ihre Praxis zu etablieren:
- Breathing Zone: Visuelle und akustische Anleitung für Atemübungen
- Prana Breath: Anpassbare Atemtechniken mit Erinnerungsfunktion
- Calm oder Headspace: Geführte Atemsitzungen als Teil von Meditations-Apps
Aber: Verlassen Sie sich nicht ausschließlich auf Technologie. Sie müssen die Techniken auch ohne App beherrschen, besonders wenn eine Panikattacke in Situationen auftritt, in denen Sie kein Smartphone zur Hand haben.
Was tun, wenn Atemtechniken nicht sofort helfen?
Manchmal fühlt es sich an, als würden Atemtechniken nicht funktionieren. Das kann mehrere Gründe haben:
Sie sind noch nicht automatisiert: Geben Sie sich Zeit. Es dauert 2-4 Wochen regelmäßiger Übung, bis die Techniken wirklich vertraut werden.
Die Panik ist zu intensiv: Bei sehr starken Panikattacken müssen Sie möglicherweise warten, bis der erste Höhepunkt vorbei ist, bevor Atemtechniken greifen. In solchen Fällen kann eine professionelle Therapie bei Panikattacken Ihnen helfen, die zugrunde liegenden Ursachen anzugehen und wirksame Bewältigungsstrategien systematisch zu erlernen.
Sie konzentrieren sich zu sehr auf das Ergebnis: Paradoxerweise funktionieren Atemtechniken besser, wenn Sie nicht krampfhaft versuchen, damit die Angst zu beseitigen. Atmen Sie einfach, ohne zu erwarten, dass sofort alles besser wird.
Die Technik passt nicht zu Ihnen: Nicht jede Technik funktioniert für jeden. Probieren Sie verschiedene aus und finden Sie Ihre persönliche Methode.
Die Wissenschaft bestätigt die Wirksamkeit
Zahlreiche Studien belegen die Effektivität von Atemtechniken:
Eine Studie aus dem Jahr 2017 zeigte, dass 20 Minuten tägliche Atemübungen über 8 Wochen die Symptome von Angststörungen signifikant reduzierten. Die Teilnehmer berichteten von weniger Panikattacken und einer verbesserten Lebensqualität.
Eine andere Untersuchung fand heraus, dass kontrollierte Atmung die Aktivität der Amygdala – des Angstzentrums im Gehirn – messbar reduziert. Die Teilnehmer zeigten nach einem 4-wöchigen Atemtraining eine geringere Reaktion auf angstauslösende Reize.
Besonders beeindruckend: Atemtechniken können die Herzratenvariabilität erhöhen, ein Marker für ein gesundes, flexibles Nervensystem und bessere Stressresilienz.
Ihr Weg zur Meisterschaft
Atemtechniken zu beherrschen ist wie ein Musikinstrument zu lernen: Es braucht Übung, Geduld und die Bereitschaft, auch mal Fehler zu machen. Aber mit der Zeit werden diese Techniken zu Ihrem natürlichen Instinkt – einem Werkzeug, das Sie überallhin mitnehmen und jederzeit einsetzen können.
Beginnen Sie heute. Wählen Sie eine einzige Technik und praktizieren Sie sie für die nächsten zwei Wochen täglich. Schreiben Sie Ihre Erfahrungen auf: Wie fühlen Sie sich vorher? Wie nachher? Welche Unterschiede bemerken Sie?
Ihre Atmung ist immer bei Ihnen. Sie ist Ihr persönlicher Notfallknopf, Ihr Anker in stürmischen Zeiten, Ihr Weg zurück zur Ruhe. Mit jeder bewussten Atemzug lernen Sie, dass Sie mehr Kontrolle haben, als Sie dachten – dass die Panik zwar kommen mag, aber Sie die Fähigkeit besitzen, sie zu beruhigen.
Atmen Sie tief durch. Sie schaffen das.


